Vertrau auf den Herrn und tu das Gute

BERGEXERZITIEN IN TIROL, 18.–23. Juli 2022: „Ver­trau auf den Herrn und tu das Gute“ – Ps 37,3

Eine Teil­neh­me­rin berichtet:

Ich hat­te die Berg­ex­er­zi­ti­en in Gramais/Lechtal nicht geplant und doch kris­tal­li­sier­te sich schnell her­aus, dass sie für mich geplant waren, die­se wun­der­ba­ren Tage für Kör­per, Geist und See­le an die­sem so idyl­lisch abge­le­ge­nen Ort, gera­de mal gut 2½ Stun­den von zuhau­se ent­fernt. Sogar der mir unan­ge­neh­me, seit Mona­ten fest­ste­hen­de Gerichts­ter­min zu einer Zeu­gen­aus­sa­ge, wur­de in der Woche, in der ich erfuhr, dass ich für mei­ne Freun­din ein­sprin­gen durf­te, gecan­celt. Ich bekam kurz­fris­tig Urlaub, nach­dem ich den Lei­ter der Berg­ex­er­zi­ti­en tele­fo­nisch noch zwi­schen Tür und Angel erwisch­te und dazu in letz­ter Minu­te befra­gen konn­te. Er schick­te mir eine E‑Mail und wuss­te nicht, ob sich die Umstän­de so fügen wer­den, dass es noch klappt.

Gott sei Dank nahm mich mei­ne Freun­din etwas unter ihre Fit­ti­che, lieh mir Wan­der­so­cken usw., denn mei­ne Schul­land­hei­m­erin­ne­run­gen an das Berch­tes­ga­den­er­land, die drei Jahr­zehn­te zurück lagen, hät­ten mir beim Kof­fer­pa­cken fürs Lech­tal nicht gehol­fen. Bis auf die Wal­king­stö­cke, die ich für Wan­der­stö­cke hielt, war mein Equip­ment i. O. Ich kam gegen 11 Uhr in Gra­mais an und über­leg­te, hab ich über­haupt eine Adres­se? Nach­dem ich beim kur­zen Über­flie­gen des Fly­ers nicht fün­dig wur­de, erin­ner­te ich mich an den Namen des Gast­hau­ses, zu dem die Hüt­te gehört, in der wir die­se Woche ein­quar­tiert sein wür­den. Es lag vor mir und hat­te Ruhe­tag!! Ich steu­er­te den nächs­ten Park­platz an und sah eine Frau des Weges kom­men, wäh­rend ich mit dem Han­dy han­tier­te. Der Ort war so über­schau­bar, dass ich ihr zutrau­te, mit­be­kom­men zu haben, was hier aktu­ell an Akti­vi­tä­ten gebo­ten ist, soll­te sie von hier stam­men. Es han­del­te sich um eine Teil­neh­me­rin und wie sich weni­ge Minu­ten spä­ter her­aus­stel­len soll­te, um mei­ne Bett­nach­ba­rin. Unglaublich!
Auf Tho­mas traf ich am Ein­gang der Hüt­te. Er stand wie ein Hahn zwi­schen vie­len auf­ge­reg­ten Hüh­nern (es waren nicht nur Frau­en), hob sogleich den Kopf um mich, den Neu­an­kömm­ling, zu erspä­hen und frag­te: Bist du die Chris­ti­ne?, nahm mir nach mei­ner Bestä­ti­gung den Kof­fer ab, stell­te ihn mir ins Zim­mer, wo nun auch die Dame ein­ge­trof­fen war, die mir den Weg wies.

Außer Pater Wil­li, den ich nur flüch­tig kann­te, waren mir alle fremd und doch fühl­te ich mich augen­blick­lich wie zu Hau­se. Näher mein Gott zu Dir, hat­te ich mir von den Exer­zi­ti­en erhofft und obwohl ich im Glau­bens­le­ben sel­ten ein Gefühl habe, spür­te ich nun schon Gebor­gen­heit, was anhielt und nicht täu­schen sollte.

Der „Berg“, so fiel mir auf, war mir in den letz­ten Tagen, schon 2–3 Mal durch die Hei­li­ge Schrift begeg­net. Gewiss hät­te ich das ohne mein Vor­ha­ben nicht wahr­ge­nom­men. Nun durf­te ich ihn also bald erle­ben, den Berg — die Ber­ge. Er lag vor mir, egal in wel­che Rich­tung ich blick­te, ich war ein­ge­kes­selt . Über­all Berg, der hoch in den Him­mel rag­te, des­sen Spit­ze die Wol­ken berühr­te und der auf mich zu war­ten schien: “Komm hoch!”

Gleich gings los. Auf zur ers­ten Berg­mes­se im Lech­tal, an einen Platz, der sich erst fin­den las­sen muss­te. Wir lan­de­ten einen Voll­tref­fer. Hast du dir je vor­ge­stellt, was in der geis­ti­gen Welt wäh­rend einer Hei­li­gen Mes­se geschieht? Wie der Him­mel auf­geht und die Decke des Rau­mes prak­tisch ver­schwin­det? Wie die Engel wie bei Jakobs Him­mels­lei­ter auf- und nie­der­stei­gen? Falls nicht, macht das nichts. Jetzt muss­te man nur die Augen offen hal­ten und ins Wei­te bli­cken. Nichts hielt mei­nen Blick auf. Ich muss­te mir nichts weg den­ken, nur mehr hin­zu und das ging ganz leicht: Ich spü­re die Son­nen­strah­len, die mich berüh­ren, den Wind, der mich strei­chelt, den Vater, der mich anschaut, mei­nen Kopf in sei­ne Hän­de nimmt und mir sagt: Du bist bei mir. Ich set­ze mich ins Gras und lau­sche sei­nen Wor­ten wie Maria ohne Mar­tha. Nie­mand kommt und stör­te den Meis­ter. Wir sind ganz Ohr.

Wir hat­ten uns auf­ge­macht, Abstand vom All­tag zu neh­men, um unser Sein in sei­ne Natur zu legen, uns IHM hin­zu­ge­ben. Das erschloss sich mir an so vie­len Stel­len. Wir lie­fen mor­gens los, leib­lich gestärkt, aber immer bewuss­ter wahr­neh­mend, vor allem geist­lich durch einen Impuls am Fuß des Ber­ges, der uns wie die Schrit­te, die wir phy­sisch taten, geis­tig vor­an­schrei­ten lie­ßen, in der Stil­le, die dafür nötig ist. Eine Zwi­schen­sta­ti­on, wo wir unse­ren Durst still­ten, sorg­te — wie­der­um geis­ti­ger­seits — für eine sehr leben­di­ge, ganz per­sön­li­che Ein­füh­rung ins Tages­evan­ge­li­um — die uns Schwes­ter Chris­ti­ne schenk­te. Am Gip­fel wur­den wir reich und außer­ge­wöhn­lich viel­fäl­tig beschenkt, was mir an einem sehr hei­ßen anstren­gen­den Tag mal abends beim gemein­sa­men Reflek­tie­ren in der Run­de auf­fiel. Wir beten mit den Füßen Rosen­kranz, sag­te Pater Wil­li, kurz nach­dem ich inner­lich trau­rig war, dass ich ihn vor Anstren­gung und Kon­zen­tra­ti­on heu­te nicht fer­tig­ge­bracht hatte.

Man steht also nach vie­len Rosen­krän­zen, die man mit den Füßen gebe­tet hat, am Ziel, der Blick darf sich erhe­ben und hin­wen­den, wo er sich auch satt­se­hen möch­te, ohne es je zu kön­nen, und doch steht die Krö­nung des Tages in geis­ti­ger Hin­sicht noch aus, die Hei­li­ge Mes­se, deren Vor­be­rei­tung der Weg selbst war. Die Impul­se waren mein Auf­wind, der mich den Berg hoch­trug, die Schrit­te die Per­len des Rosen­kran­zes, ordent­lich an der Schnur auf­ge­fä­delt und von Tho­mas sorg­fäl­tig und gewis­sen­haft in der Ord­nung gehal­ten, gewiss von Wil­li und Chris­ti­ne im Gebet beglei­tet, mit deren Segen beim Mor­gen­ge­bet beschirmt, wie von unse­ren Schutz­en­geln beglei­tet, die Gebor­gen­heit der Grup­pe genie­ßend. Bene­dik­ta und ich, waren wie Küken, um wie­der beim Bild am Anfang zu sein. Die Hen­nen brei­te­ten ihre schüt­zen­den Flü­gel über uns aus. Da war der Wil­li, der Hans-Peter, der mir für mei­ne Wal­king­stö­cke sei­ne Wan­der­stö­cke lieh, der Mat­thi­as, der mir immer wie­der zeig­te, wo ich sie abstel­len soll­te, um siche­ren Halt zu haben, die Anni, die mir zeig­te, wie ich mein gan­zes Kör­per­ge­wicht auf die Stö­cke stüt­zen soll­te. Die Son­ja, die an mei­ner Sei­te harr­te, auch wenn der Abstand zur Grup­pe wuchs. Der Berg, er war so beleh­rend. Ein­mal war ich so aus­ge­laugt, dass das Wort in mir hoch­stieg: Wie der Hirsch nach fri­schem Was­ser lechzt, so dürs­tet mei­ne See­le nach dir, o Herr (oder so ähn­lich). Wie sich die­ses Wort wohl künf­tig liest? Ich freu mich dar­auf, denn es wird mich an den Was­ser­fall erin­nern, an das küh­le Nass, in das ich ein­tauch­te, sich Son­ja jedes Mal rein­setz­te, mit dem ich mei­ne Fla­schen wie­der auf­füll­te und in das Pater Wil­li sei­ne Müt­ze ein­tauch­te und sich klatsch­nass auf sei­nen erhitz­ten Kopf klatsch­te. Die­ses Wort wird mich in die­se Sze­nen künf­tig ein­tau­chen las­sen und mich förm­lich den Unter­schied grei­fen las­sen, wie mein aus­ge­trock­ne­ter Mund die gan­ze Fri­sche des Was­sers in einem Augen­blick wahr­nahm. Es gibt kein eige­nes Wort, mei­ne ich, für das sich-satt-Trin­ken. Das hat gewiss auch eine beson­de­re und tie­fe Bedeutung.

Es gab auch einen Ruhe­tag, wie­der­um für Kör­per und See­le. Das Früh­stück wur­de aus­ge­dehnt, unse­re bei­den Seel­sor­ger boten uns Seel­sor­ge­ge­sprä­che an, in der Pfar­re zum Hei­li­gen Johan­nes des Täu­fers wur­den die Weih­was­ser­be­häl­ter befüllt, wir hiel­ten eine drei­stün­di­ge Anbe­tung, ich nutz­te die Beicht­ge­le­gen­heit und war wie­der­um vor­be­rei­tet für das Hei­li­ge Mess­op­fer. Ande­re Teil­neh­mer unter­nah­men Spa­zier­gän­ge, und wo wir auf den Ber­gen fast aus­schließ­lich unter uns waren, fan­den net­te Begeg­nun­gen statt, die im Anschluss die Kir­chen­bän­ke füll­ten und uns wie­der­um geis­ti­ge Ver­bun­den­heit schenk­ten. Ein lan­ger Ruhe­tag ver­ging wie im Flug und mir schien, ich war hung­ri­ger auf das Abend­essen, als nach den bei­den anstren­gen­den Berg­tou­ren zuvor. Komisch nicht?

Erst jetzt, wo ich die­sen Erleb­nis­be­richt ver­fas­sen darf, fällt mir auf, wie Gott uns mit der gan­zen Umge­bung ver­wob. Selbst im Gast­haus und zwar nicht nur ein­zeln, den einen Gast mit dem einen Teil­neh­mer. Er tat es auch zwi­schen den Gäs­ten und der gan­zen Grup­pe. Zwei Bei­spie­le möch­te ich herausstellen :

Da war ein Ehe­paar aus FFB zu Gast. Sie waren gewis­ser­ma­ßen Dau­er­cam­per, Stamm­gäs­te sagt man in der Hotel­bran­che. Jeden­falls fiel dem Mann ver­mut­lich im Vor­jahr auf, dass dem Ort ein Weg­kreuz fehlt und er hat­te des­halb den Win­ter damit ver­bracht, sei­ne gan­ze Lie­be und sein Mega­ta­lent in das lie­be­volls­te Weg­kreuz zu legen, das ich je gese­hen habe. Und bei uns gibt es vie­le Weg­kreu­ze (ich hab mir ein per­sön­li­ches aus­ge­sucht) und ich sehe sie an.

Bei der Fül­le mei­ner Ein­drü­cke, bin ich trau­ri­ger­wei­se noch gar nicht dar­auf zu spre­chen gekom­men, dass wir eine Lob­preis­band waren. Zwei Teil­neh­mer hat­ten ihre Gitar­ren mit­ge­bracht und wir san­gen mit­ein­an­der aus vol­ler Brust, als ob wir das schon immer taten. Ruck­zuck folg­ten wir der Ein­la­dung, die Ehre zu haben, die­ses Weg­kreuz ein­zu­wei­hen. Der Wirt und der Schnit­zer hiel­ten Jesus in ihrer Mit­te, Pater Wil­li zele­brier­te fest­lich, das Lob­preis­team pries Gott, alle Gäs­te waren invol­viert und die bei­den Herr­gott­hal­ter hat­ten Trä­nen in den Augen. Ich glau­be, wenn Gott die Regie führt, dann fügt sich eins ins ande­re, was der Mensch nie­mals pla­nen kann. Dann ver­bin­den sich Her­zen, flie­ßen Trä­nen, gesche­hen Wunder.

So betrat beim letz­ten Früh­stück ein Gast die Stu­be und begrüß­te uns ges­ti­ku­lie­rend mit den Wor­ten: Guten Mor­gen, Familie!

Es lie­ße sich noch viel mehr sagen, doch es geht ja nur dar­um, Appe­tit zu machen. Das erreicht man oft mit ganz wenig bes­ser. Ich hab prak­tisch nur Zucker auf den hei­ßen Ofen gestreut und wenn dir der Kara­mell­ge­schmack die Nase hoch steigt, dann lass dich auf mehr ein. Es braucht nur dei­ne Bereit­schaft und etwas Spon­ta­nei­tät, gell? Du weißt ja nun, dass Gott das Übri­ge tut und das ist mehr, als du selbst je tun könntest.

Segens­gruß
Chris­ti­ne L.“

📅 19. September 2022